Samstag, 18. Juli 2015

Qui voit Sein, voit sa fin

Ein altes Seefahrersprichwort besagt, wie gefährlich es war, sich in der Gegend um die Inseln Ouessant, Sein, Molène und Groix zu bewegen. Es geht so:
« Qui voit Ouessant voit son sang,
Qui voit Molène, voit sa peine,
Qui voit Sein, voit sa fin,
Qui voit Groix, voit sa croix. »


"Wer Ouessant sieht, sieht sein Blut,
Wer Molène sieht, sieht seine Pein,
Wer Sein sieht, sieht sein Ende,
wer Groix sieht, sieht sein Kreuz."

Pointe du Raz

Boulder für Fritzl

Noch vor den Sommerferien wollte ich auf die Insel Sein fahren, um den vielen Urlaubern zu entgehen. Das ging auch relativ gut, auch wenn ich etwas zittern musste, denn es war Sonntag, also viele Plätze für die Hinfahrt frei, aber nicht zurück, wegen der Wochenendausflügler. Schließlich konnte ich aber doch mit dem Boot von Audierne aus die einstündige Fahrt nach Sein antreten. Vorbei ging's an der zerklüfteten Küste und der Pointe du Raz. Von weitem konnte man den Leuchtturm La Vieille (die Alte) sehen und auch die Insel war wie ein flacher Teller bald am Horizont zu sehen. Auf dem Meer war es natürlich recht windig, leider packte mich am Ende doch noch so eine leichte Seekrankheit und so war ich doch recht froh, wieder festen Boden unter den Füßen zu haben.
Kritallklares Wasser



Links das Boot der SNSM (Seenotrettung)

Gleich am Kai wurde eine kostenlose Inselführung angeboten, wie sich herausstellte, war die Fremdenführerin aus Heidelberg, ihr französischer Ehemann hatte Arbeit auf der Insel gefunden und die beiden Kinder verstärkten mittlerweile die Grund- und Mittelschule der Insel von 5 auf 7 Kinder. Im Sommer leben bis zu 300 Menschen, im Winter vielleicht 150 auf der Insel. 
Menhire, genannt "Die Plauderer"


An der Größe der Kirche kann man sehen, wie viele Leute noch zu Anfang des 20. Jh. auf der Insel gelebt haben müssen

Das Kreuz markiert den mit 800m höchsten Punkt der Insel

Erinnerung an De Gaulles Appell und welche Besatzungen ihm folgten




Nach der Führung überlegte ich, die bei Ebbe freie Trasse zum Ende der Insel mit alten Feldern zu überqueren, aber da das Meer gerade wieder stieg (und das geht schneller als man denkt), legte ich mich erst mal an den Strand gegenüber dem Quai des Français libres (Kai der freien Franzosen).
geschützter Badestrand in der Hafenbucht


Erinnerung an die Gefallenen der Île de Sein
An solch pathetischen Namen kommt man auf der Insel kaum vorbei. Nachdem die Bewohner der Insel den Aufruf De Gaulles aus London am 18. Juni 1940 über BBC im Radio gehört hatten, der sie zum Kampf für ein freies Frankreich aufrief, folgten fast alle Männer diesem Appell. Zuerst sollten sie wohl mit Hilfsarbeiten abgespeist werden, kamen dann aber doch bis vor De Gaulle und dieser war davon so beeindruckt, dass er den bis heute berühmten Ausspruch prägte: "Die Île de Sein ist ja ein Viertel Frankreichs." Nach dem Krieg besuchte er die Insel und verlieh ihr den Befreiungsorden, als eine von nur fünf Städten. Darauf sind die Insulaner bis heute sehr stolz drauf und dafür ist sie auch in Frankreich bekannt. Die Geschichte wird im kleinen Inselmuseum ausführlichst erzählt, da geht die restliche Geschichte über das alltägliche Inselleben und die prähistorische Vorgeschichte etwas unter. Die Menhire "Die Plauderer" zeigen, dass die Insel schon sehr früh bewohnt wurde und auch die Cholera machte vor ihr nicht halt, wie der eigens für die Choleratoten eingerichtete Friedhof beweist, der aber heute nur noch anhand von Mauerresten zu erkennen ist. Diese Epidemie führte dazu, dass die Tracht der Inselbewohner bis heute vollständig schwarz ist: Zum Zeichen der Trauer wurde die wie in der Bretagne übliche weiße Farbe der Haube gegen schwarz eingetauscht.
Möglicherweise Mauerreste des Cholerafriedhofes?

Tracht der Île de Sein (URL: http://coiffes.free.fr/coiffes/sein1.jpg)

Und ich wollte ja auch endlich meinen geliebten Leuchtturm Ar Men (der Felsen) sehen, der 16km von der Insel Sein im offenen Meer steht und mit dem Leuchttürmen der Insel Sein, Tévennec und La Vieille eine Schutzkette vor der berüchtigten Seestraße Raz de Sein bildet. Also hieß es, rauf auf den Leuchtturm der Île de Sein. Die Deutschen, die auch dort ihr Unwesen getrieben hatten, hatten ihn beim Verlassen der Insel dem Erdboden gleichgemacht, nach dem Krieg wurde er wieder errichtet. Das Wetter war gut, die Sicht klar, aber auf dem offenen Meer in Richtung des Ar Men war trotzdem leichter Dunst. Der Blick über die Insel ist an sich aber schon atemberaubend und sie ist zwar sehr klein, aber lang, das Laufen (es gibt keine Autos) zieht sich daher schon hin und selbst 7 Stunden Aufenthalt vergehen schnell.



Hinter der Insel geht die gefährliche Raz de Sein weiter
Mit meiner Kamera konnte ich aber doch ein Bild des im Nebel verhangenen Ar Men einfangen, wie er da so einsam den Elementen trotzt.
Ar Men bei Sturm (URL: http://s.tf1.fr/mmdia/i/99/7/le-20-heures-du-5-fevrier-2014-temp-petra-les-phares-bretons-vus-11089997bbspk.jpg?v=1)
Und im Dunst der Raz de Sein
Die Bauzeit dieses Leuchtturms betrug über 14 Jahre, das zeigt schon, wie schwierig es war, dieses Bauwerk auf einem Felsen zu errichten. Eine andere Geschichte ist die von Tévennec.
Tévennec
Dieses Leuchtturmhaus ist bekannt dafür, dass es eine ganze Reihe seiner Leuchtturmwärter verrückt gemacht hat. Wie Ar Men ist dieser Leuchtturm auf einem Felsen errichtet worden. Was man aber nicht wusste, dass sich unter dem Felsen unterirdische Höhlen und Gänge befanden, wie die "blowholes", die ich in Australien schon erlebt habe. Durch das Meer, welches durch die Gänge rauschte, meinten viele Wärter eine Stimme zu hören, die ihnen sagte: "Va-t'en! Va-t'en!" (Geh weg! Geh weg!) und verloren dadurch den Verstand und stürzten sich ins Meer. Auch wenn man den Grund für diese "Stimme" erst später fand, wurde daraus schnell die Lehre gezogen, dass die Wärter besser nicht allein auf dem Leuchtturm sein sollten. Einmal war sogar eine fünfköpfige Familie dort wohnhaft. Da kann man sich schön auf die Nerven gehen. Heute ist Tévennec wie Ar Men und La Vieille automatisiert und wird vom Festland aus gesteuert. Die Raz de Sein hat aber nichts von ihrer Gefährlichkeit verloren, wie ich auf der Rückfahrt noch sehen sollte.

Nach dem Leuchtturm war mit dem Rückweg zum anderen Ende der Insel und dem Leuchtturmmuseum kaum noch Zeit bis zur Abfahrt, also wenn man die Insel ganz in Ruhe genießen will, dann ist ein Wochenende schon nicht verkehrt, auch wenn die Insel nicht groß ist.
Die Sphinx


Chapelle Saint Guénolé

Menhir vor der Kapelle

Noch mehr Boulder für Fritzl

Es ist Hortensienzeit


Auf der Rückfahrt war die Fähre schon recht gut gefüllt und diesmal fuhren wir ziemlich nah an den Leuchttürmen La Vieille und dem kleineren La Plate vorbei, die mitten in der Raz de Sein stehen. Da möchte ich nicht durchfahren: Stromschnellen überall, Felsen nur durch kleine Wellen an der Wasseroberfläche erkennbar, Strudel, und eine Lautstärke...
Aus irgendeinem Grund waren zwei Boote mitten in diesem Chaos verankert, an deren Wippen man sehr gut sah, wie stark die Kräfte dort wirkten.
La Vieille und La Plate





In der Raz de Sein



Ar Men und andere Leuchttürme während des Tiefs "Petra" im vergangenen Winter:

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen