Sonntag, 23. August 2015

Tipps für eine erfolgreiche bretonische Integration - Teil 1

Das eigene Boot

Schritt 1:
Man werde gut Freund mit den Jungs von der Seenotrettung SNSM (Société Nationale de Sauvetage en Mer), indem man 

a) zum Tag der offenen Tür geht, bei dem das Rettungsboot "Men Meur" bestaunt werden kann. Dies ist ein Boot, das bei jedem Wetter rausfahren kann, auch wenn Stärke 10 auf der Beaufort-Skala ist (bei dieser Stärke sind selbst Seenotretter nicht vor Seekrankheit gefeit). "Men Meur" heißt auf deutsch "großer Felsen" und ist auch der Name des Felsens auf der Landspitze von Le Guilvinec, der sich auf Privatgrund befindet und auf dem seit Jahrtausenden die Einwohner von Le Guilvinec geboren werden. Das Rettungsboot ist gute 15 Meter lang, kann in jedwege Richtung fahren und hat eine Motorstärke von zwei Mal 400 PS sowie mehrere Reservetanks von 500l Fassvermögen. Drei Kapitäne zählen zur Mannschaft, einer von dreien muss immer an Bord sein und am besten man kennt Raymond, dann kommt man dem eigenen Boot näher. Alle sind Freiwillige, wer "nebenbei" in Lohn und Brot steht, kann meistens in absoluten Notfällen ausrücken, wobei die meisten wahrscheinlich sowieso in der Fischereibranche arbeiten und es daher nicht weit zum Kai haben.
medizinische und Wasserausstattung: links in gelb der Defibrillator, rechts in orange die schwimmenden Neoprenanzüge


Blick auf 2x400 PS

Kapitän Raymond auf der Kommandobrücke: Diesen Mann gilt es zu kennen!

GPS-gestütztes Navigationssystem, die gelbe Linie ist der Weg zu einem zufällig gewählten Punkt, das Boot würde ihn mithilfe des Autopiloten ganz allein finden

Sonargerät, nur 6,5m Wasser unterm Bug

AIS = Automatisches Identifikationssystem
 auf https://www.marinetraffic.com/de/ais/home/centerx:-4/centery:48/zoom:11 kann man alle Schiffe sehen, die weltweit auf den Meeren unterwegs sind, sowie ihren Hafen, Geschwindigkeit, etc.
runter in den Schiffsbauch

"Le Lagon" und "Besame", "Le Lagon" ist mit drei Jahren unser jüngstes Boot
 Seit jedes Land in der EU eine bestimmte Anzahl Kw/h nicht überschreiten darf, ist es zunehmend schwieriger, Boote zu bauen. Seit 2005 hat sich die Zahl der Flotte von Le Guilvinec von 140 auf 92 reduziert, sobald ein Kapitän in Rente ging, wurde das Boot verschrottet.


ein schönes Boot!

Hafenseite von Lechiagat mit Aufzug

b) bei eben diesem Tag der offenen Tür Augen und Ohren offen hält für jedwegen technischen Details und Alltagsgeschichten (die SNSM Le Guilvinec hat sogar eine eigene Facebookseite: https://www.facebook.com/snsmguilvinec ). Rausgefahren wird ungefähr 30 Mal im Jahr, darunter werden jetzt nur die Notfälle gerechnet, einfach nur das Begleiten von Booten in den Hafen, weil sie Sorge haben, dass die Schiffsschraube nicht bis zum Hafen durchhält, zählen nicht dazu.
Auszug: Freitag, 14. August (Tag des 2. Tages der Offenen Tür):
18h, "Mayday" auf dem Kanal 16 (Notrufkanal), gerade als die ersten Besucher an Bord gehen: "Mann im Meer, Strand von Steir in Penmarc'h". Sofort Anker lichten. Ankunft bei den Felsen von "Pen Braz", aufs Schlauchboot mit zwei von 5 Besatzungsmitgliedern, "Dragon 29" (Rettungshelikopter) ist auch schon da.
Um 18:15 Uhr wird der Schiffbrüchige von einer dritten Person an den Strand gebracht, wo sich die Rettungssanitätter um ihn kümmern. Manöver werden freigegeben."
Dienstag, 4. August: Der Schlepper "L'Argonaute" ist aufgrund von Antriebsschwierigkeiten westlich von der Île de Sein in Seenot geraten. 13:45 Uhr wird er vom Schlepper "Cyriaque" bis Basse Nevez in Schlepptau genommen, und ab 23:15 Uhr dann von der "Men Meur" für die Rückfahrt in den Hafen.




"Les Étocs"







c) bei eben diesem Tag der offenen Tür viele viele Langustinen essen, mit einem guten Klecks Mayonnaise und natürlich mit der richtigen Technik: Nach dem zweiten oder dritten Ring klick-klack machen, eine Panzerhälfte abziehen und dann das Innere rausziehen.

d) "casser la croûte" - mit der SNSM danach einen Imbiss zu sich nehmen: noch mehr Langustinen, sowie Speck, Schinken, Baguette, sowie diverse Getränke


Schritt 2: 
durch die Schritte a) bis d) sich so viel Vertrauen erwerben, dass man schließlich das Steuer übernehmen darf, als Jungfernfahrt eignet sich das Steuern von der Felsgruppe "Les Étocs" bis in den Hafen.

Schritt 3: sich durch eine vorbildliche Fahrweise auszeichnen: eine schöne 180°-Wendung vollführen, die Sensibilität des Bootes erkennen und mit ausreichend Platz zwischen den Seezeichen des Lateralsystems passieren: grün an Steuerbord (rechts) und rot an Backbord (links).

Karte der Étocs
 

Ich bin seitdem offiziell neue Kapitänin der "Men Meur". :-)
Sollte man die vorherigen Schritte nicht genau durchgeführt haben, so kann das passieren, was meiner Chefin Anna passierte ;-) : es wird ein Streich gespielt; an der Oberseite des Bootes befindet sich ein zweites Steuer, welches genutzt werden kann, wenn man vom Steuer innen nicht viel sehen würde; wenn man das Obersteuer nutzt, kann man beim Innensteuer aber machen, was man will. Anna befand sich also am Steuer, während sich jemand am Obersteuer zu schaffen machte und das Boot hin und her schwankte.