Montag, 11. Oktober 2010

Abenteuer in der schwedischen Pampa

NIE wieder schwedische Messmör!!! Das habe ich inzwischen gelernt.

Freitagnachmittag sind wir in Oslo aufgebrochen, über 20, wenn nicht fast 30 Leute. Ich saß im Auto mit Magnus, seinem fast dreijährigen Sohn Marius und Jorunn Maria, einer Medizinstudentin. Sonst gab es noch andere Autos und einen Kleinbus, den Gustav fuhr. Dazu muss ich sagen, dass Gustav weiß, dass rosa meine ganz spezielle Nichtlieblingsfarbe ist. Beim Klettertraining gab es letzte Woche nämlich bei einem Weg so einen großen rosanen und ziemlich rutschigen (durch Magnesia) Griff, den ich nicht nehmen wollte. Da meinte Gustav, rosa sei doch eine schöne Farbe, woraufhin ich ihm mitteilte, dass ich das überhaupt nicht so sehe. Später habe ich ihn dann gefragt, ob er mir eine Isomatte für das Kletterwochenende in Bohuslän leihen kann und was kam als Antwort: "Ich bringe dir eine rosa Isomatte mit!" Krönung des Ganzen war dann die letzte Infomail vom Donnerstag, die mit der Zeile began: "Aufgrund einer speziellen Anfrage von Henrike wird diese Mail nur in rosa Buchstaben erscheinen.", was mir später eine Reihe Nachfragen von anderen einbringen sollte. Die Isomatte war dann übrigens nicht rosa...
Weil Marius bald eingeschlafen war, nachdem wir ihm mehrmals klarmachen mussten, dass seine Lieblingseisbude geschlossen ist, tat ich es ihm gleich und schlummerte zumindest ein bisschen vor mich hin. Die norwegisch-schwedische Grenze passierten wir im Dämmerlicht und ohne Probleme. Dann haben wir an einem ICA-Supermarkt gehalten, um Essen einzukaufen, was ja in Schweden doch etwas billiger ist. Ich hätte mir aber zumindest Butter oder Margarine mitbringen sollen, denn ich kaufte versehentlich klassische Messmör und die Schachtel stand so im Regal, dass man das kleine Wörtchen "vanilje" nicht sehen konnte, woraufhin am nächsten Morgen die böse Überraschung folgte: Messmör scheint ja nicht nur eine Art Mischung aus Schmelzkäse und Butter zu sein, nein diese war auch noch mit Vanille und man kann das "Geschmackserlebnis" in etwa dem des Brunost (Braunkäse) gleichsetzen: Man weiß nicht, ob es nun süß oder herzhaft ist. Glücklicherweise fällt der zwiespältige Geschmack nicht so auf, wenn man nur ganz wenig auf die Schnitte streicht, aber mir war es trotzdem schade um die etwas mehr als 1€. Brot habe ich auch etwas zu viel gekauft, das muss ich jetzt bis zum Mittwoch auffuttern. Ich kann mein eigenes Essverhalten eben doch sehr schlecht einschätzen, weil es sich ständig ändert.
Wie auch immer, irgendwann sind wir dann zu einem Sportplatz abgebogen und dann wandelte sich der asphaltierte Weg in einen holprigen und ziemlich sumpfigen Waldweg. Ringsherum war alles duster und ich hörte schon die Bären brummen (mein Gastvater Christian hatte mir ja aufmunternd auf den Weg gegeben, es gebe ja so viele Bären in Schweden). Meine Stirnlampe schien gerade ihren guten Tag zu haben, denn sie funktionierte!!! und ließ sich nicht von den Launen eines Wackelkontakts beeindrucken. Denn so konnten wir dann die Tipis aufbauen, in denen ein Großteil von uns schlafen sollte. Wir konnten auf dem Gelände von Gustavs Freunden nächtigen, die da eine kleines Häuschen stehen haben und auch das Klo war - entgegen meiner Befürchtungen - sehr komfortabel:
Nach einem guten Essen aus Steaks und Nudeln (habe ich mir mit Jorunn geteilt) wurde dann noch ein bisschen auf der Terrasse geplaudert. Die Temperaturen waren jetzt auch nicht so kalt wie befürchtet und als Camille (ein Franzose) gegen halb 11 zu Bett ging, wurde ich doch auch schon etwas müde. Ich habe zusammen mit Kjell (ja, der Kjell, der mir immer so bekannt vorkommt von zu Hause), Coline (aus FR), Iwana (GER), Wiske (BEL), Natasha (Australia!) und Souren (CAN) in einem Tipi geschlafen, das war schon ein Erlebnis (und auch ganz gut geschlafen, denn der laute Schnarcher war NICHT in meinem Zelt, haha! Lob an Kjell und Souren)! Ich habe in dieser Nacht auch nicht gefroren und am nächsten Tag war strahlender Sonnenschein ("mein" Zelt steht hinten rechts):
Coline auf der Slackline, beobachte von Jiri (Jirka)
Jirka in typischer Pose und Camille
Nach dem Frühstück dauerte es dann eine Weile, bis alle in die Gänge kamen und jeder noch mal auf dem wunderhübschen Klo war. Jirka war sich sicher, dass es bestimmt nach 11 war, als es endlich losging. Ich wurde dann von Gullik, mit dem ich am Vorabend ins Gespräch gekommen war, gefragt, ob ich mit ihm mitfahren möchte und zum Schluss saßen dann Gullik, Coline, Kjell und ich in einem Wagen. Nicht alle sind zu dem gleichen Platz in Bohuslän gefahren, aber wir haben dann doch einige getroffen.
Kjell und Gullik inspizieren eine sehr schwere 6-
 Schließlich hat sich ein Schwede aus der Klettegruppe, Per, bereit erklärt, mir und Coline (links im Bild) eine 6+ (norwegisch/schwedische Skala) vorzusteigen, denn es waren nur spärlich Haken gesetzt und fast alles "trad climbing" (traditionelles Klettern, also in etwa wie zu Hause, aber erlaubt waren auch Friends und Klemmkeile). Auf dem (nicht ganz ungefährlichen) Weg zum Einstieg habe ich mir gleich den Kopf gestoßen und stellte fest, dass mein Helm ganz unten war, da habe ich dann fürs Klettern Pers Helm bekommen. Jetzt ist meine Beule schon etwas kleiner geworden, aber am Anfang war sie schon ein ganz schöner Wummer. Per ist dann hoch und hat Coline von oben gesichert, kam dann wieder runter und ich wurde von Coline hochgesichert. Bei dem Weg musste man auch eine Kurve um ein hervorstehendes Stück Fels klettern, aber da die Friends bzw. Klemmkeile bei meinem Nachstieg schon raus waren, wurde das Seil nicht mehr um die Kurve geführt und als ich an besagte Stelle kam, war die Seilspannung viel zu stark. Ich versuchte zwar nach links zu kommen, aber die Griffe waren auch nicht so die Bombe als dass ich es riskiert hätte bei einem Fall mit der Schulter gegen ein weiter rechts hervorstehendes Stück Fels zu krachen (bei einem kleinen Fall zuvor hatte ich die Pendelwirkung schon zu spüren bekommen). Daher blieb nur noch der direkte Weg, der anfangs sicher schwerer war als der eigentliche Weg, aber es gab einen wunderschönen Riss, bei dem man einfach nur seine Hand reinstecken musste und mit den Füßen gegen die Reibung und dann einfach - zack - nach oben schieben.
 Aber schließlich habe ich's doch geschafft (stolz!!!), wobei ich vor auch daran dachte, dass der Abstieg vom Einstieg nicht besonders einladen wäre. Aber der Rückweg vom Massiv herunter - da fehlen mir fast die Worte, wenn ich bedenke, wie lange wir da runter gebraucht haben. Durch ein Gestrüpp aus Heide, Nadelbäumen, Fels und alles teilweise ziemlich nass und dadurch auch nicht immer ungefährlich! Als es dann grunzte und raschelte, sah ich mich schon gedanklich vor einem Bär oder Elch stehen, aber es war dann Gott sei Dank nur der Münchner Kletterkamerad Tobi. Wir haben bestimmt eine halbe bis dreiviertel Stunde für den Rückweg gebraucht!!!
Danach haben Coline und ich uns an der schönen 6- versucht, an der schon so manch andere fast gescheitert sind, aber mit dem erprobten Trick 17 (am Sicherungsseil festhalten und hochziehen) konnte man zumindest den Einstieg, der weit schwerer war als eine 6-, meistern. Hier links ein Bild, wie Per das Ganze meistert (ohne den besagten Trick!). Rechts käme Pers gedachter "Abstieg" für das Massiv herunter.
Als ich dann doch oben angekommen war, nach einem ziemlich schweren Riss, hatte ich mich bereit erklärt, die Sicherung abzubauen und trotz des mir bekannten langen Rückweges hinten herum abzusteigen. Ich bekam aber erst mal einen Riesenschreck, als sich der Klemmkeil, den ich an einer Schlinge um meinen Körper hängen hatte, in einer Spalte festsetzte und ich noch mal ein Stück zurückmusste: Keil rauszerren, Puls 300, nach oben aussteigen, puh! Liebe Mama, ich mach das nie wieder, ich schwöre es!!! Aber dazu später... Der Rückweg war dann auch genau so schwierig wie beim letzten Mal und das Ganze in Kletterschuhen! Ich glaube, ich habe die mehr bemitleidet als mich. Handy war im Zelt, aber zum Glück waren die anderen in Rufweite gleich unten an der Wand. Trotzdem hatte ich eine Art Déjà-Vu in Bezug auf eine gewisse Weihnachtstagwanderung in der Sächsischen Schweiz, wo ich kurz abhanden gekommen war...und mich alle noch heute damit aufziehen. Jeder Laut war mir ungeheuer und ich war so froh, als ich den Weg unten sah und unten war. Noch viel froher, als ich dann nach einem Stück Wegs durch den Wald Colines Stimme hörte und sie bald vor mir sah. Dann packten wir unser Zeug zusammen und gingen zu der 6+, die wir zuvor gemacht hatten und an der sich nun Kjell, Gullik und andere versuchten. Die nächsten Stunden verbrachte ich dann in stillem Staunen und Danken, dass ich so einen großen Schutzengel habe. Kjell bemerkte meine versunkene Stimmung und sprach mich darauf an. Daraufhin erzählte ich ihm so einige und es setze eine freundliche, aber bestimmte Standpauke à la Kjell Nörbech. (Und das sicher nicht, weil er Lehrer ist, wie sich später herausstellte, er war ehrlich besorgt.):

Dann haben wir uns noch bis nach 6 Uhr an der Wand aufgehalten und sind dann im Halbdunkel zum Auto zurückgegangen, wobei Coline und ich noch bis zum Einbruch der Dunkelheit auf unsere beiden Männer warten mussten, die noch in der Wand gehangen hatten und dann noch absteigen mussten (wobei sie Letzteres irgendwie cleverer lösen konnten, wahrscheinlich mit Hilfe eines starken Baumes oder einer Granituhr, keiner Sanduhr eben).
Der Abend wurde zwar temperaturmäßig kälter als der vorige, aber weitaus geselliger. Mit Coline habe ich mir eine Steakmahlzeit auf dem Grill zubereitet und noch mein übriggebliebenes Lunsjbrötchen verspeist. Dann wurde viel viel geredet und gequatscht oder die Hände am Grill gewärmt. Vor allem mit Vegard Nymoen, Sohn meines Chefs Per und sehr aktiv in der Fjellgruppa (Gebirgsgruppe), hatte ich ein unerschöpfliches Gesprächsthema: Per selbst... [dieser freute sich mehr oder minder, dass wir uns so gut über ihn unterhalten konnten, als er mir eine Nachricht von seinem Urlaub im Mittelmeer schickte und ich ihm antwortete... ;)]
Simen, Kjell und Vegard
Ein nachdenklicher Jirka und Camille
Hier ein Bild meines Schlafplatzes (rechts neben dem roten Schlafsack), dessen Lagerichtung wir etwas verändert haben, denn in der ersten Nacht bekam ich zuerst einen Armboxer von Souren hinter mir und dann einen Fußtritt von Kjell rechts. Jetzt lagen fast alle wie ein Rad im Kreis.
Aber ich kann euch sagen, diese zweite Nacht war so was von kalt!!! Ich hatte ja drei Socken übereinander an, aber weil die normaldünnen Socken, die ich ganz unten anhatte, so kalt waren, habe ich sie mitten in der Nacht dann über die zwei dicken angezogen. Und wenn ich nächstes Wochenende mit nach Hauktjern bei Oslo kommen sollte, dann definitv mit mehr dicken Socken! Kjell erzählte am nächsten Morgen, dass er sich auch mehrmals um- bzw. mehr angezogen hat. Der nächste Morgen war nicht ganz so sonnig und auch ziemlich kühl, und alle waren erst gegen 10 wach, ich war eine der letzten, wurde erst wach, nachdem Kjell lauthals über Iwanas Spinnenangst gelacht hatte.
Morgendliche Slacklineübungen: Christian, Souren, Simon und Coline
Weil Gulliks Auto ganz am Anfang der Autoschlange stand, mussten wir warten, bis alle anderen weggefahren waren und diesmal hatten sich die Gruppen ziemlich verstreut. Das war mir ganz recht, denn mit Kjell, Gullik und Coline als Grüppchen war es echt ein gelungener Tag. Es kam sogar noch die Sonne raus und wir sind ein paar schöne Genusswege im Bereich 4 und 6 geklettert.
Kjells "Makeup"
Coline an der 4+

Das kommt von roten Kletterschuhen, Kjell!
Ausblick
Hier ein Suchbild: Wo ist Kjell? (in einer 6+/- Route)



Gullik

Links oben befindet sich unsere Wand

Gruppenbild mit Gabelstapler
Alles in allem war das der beste Tag vom Bohuslänwochendende, wir waren als Gruppe einfach eine perfekte Mischung: Kjell, immer etwas hyperaktiv (wenn der Weg einfach war oder Kjell sehr nervös, fing er immer an zu singen), Gullik, der Ruhige (die Graue Eminenz), Coline, etwas schüchtern, aber immer lockerer werdend und ich, ein bisschen was von allem. Daher hatten wir dann auch eine sehr lustige ca. 2stündige Autofahrt zurück nach Oslo, mit Gesangsbeiträgen von Kjell zu "Angels" von Robbie Williams (es klang um einiges besser als das Original mit Kjell als Interpret) oder auch "Stairway to Heaven" von Led Zeppelin.

Wieder zu Hause (ich wurde von Gullik bis vor die Haustür gefahren), war ich dann milde gesagt ziemlich platt. Heute Morgen bin ich dann aber brav zur Arbeit getingelt und habe viel zu tun gehabt. Für etwas Erheiterung sorgte die Mail eines Skikreisangestellten, der mir schrieb, ich hätte schon eine unglaubliche Traditon von Per angenommen: schneller zu antworten, als das die Leute fragen können... :)

Also dann bis zum nächsten Mal,
eure Henni

3 Kommentare: