Ich werde jetzt nicht damit anfangen, dass es schon eine Weile her ist, dass ich zuletzt einen Eintrag hier verfasst habe...
Nein, ich gebe euch stattdessen einfach einen Überblick, was in der letzten Zeit so alles passiert ist.
1) In meinem letzten Eintrag schrieb ich ja, dass ich im Sporthotel des Olympiastützpunktes übernachten sollte - nie wieder! Denn ich erwischte natürlich das Zimmer mit der lautesten Klimaanlage (das konnte ich später noch herausfinden), welche sich nämlich nicht nur im Bad, sondern auch im Zimmer selbst befand. In dieser einen Nacht ging meine Anzahl Schlafstunden gegen 0, wenn euch die Unendlichkeitsrechnung noch was sagt. Dank dem lieben Per konnte ich in der zweiten Nacht aber im Thon Hotel nächtigen, welches sich gleich bei uns am Ullevaal Stadion befindet. Da war es ruhig!
Schön war es auch bei Kristine, ihren Kindern und Mann Claude, wobei ich mir eingestehen musste, dass mein Französisch zumindest im mündlichen Bereich doch wohl beträchtlich eingeschlafen ist. Claude hat sich trotzdem gefreut, wenigstens ein paar muttersprachliche Wörter zu wechseln.
2) Die anschließende Woche war kurz, denn am Donnerstag ging es gleich nach Savalen im Österdal. Auf der Fahrt dahin kam ich mir so vor, wie sich viele in Deutschland Norwegen vorstellen: So gut wie keine Menschen und alles "Ödmarka", wie der Norweger sagt. Man konnte kaum glauben, dass in ganz Norwegen durchschnittlich ganze 15 Menschen auf einem Quadratkilometer leben sollen!
In Savalen wohnten wir dann in - na, natürlich einem der zahlreichen norwegischen Berghotels, diesmal sogar einem Spa-Berghotel. Ich wohnte noch mit drei anderen weiblichen Mitbewohnerinnen in einer Spasuite, also mit Sauna und Whirlpool, wobei ich ersteres nicht ausprobieren konnte. Der Whirlpool, norwegisch "bobblebad", tat's auch. Skitechnisch gab es dort nicht nur den Norges Cup, sondern auch die ersten Rennen des Scandinavian Cup zu bewundern, die anschließend in Schweden, Estland, Lettland und Finnland weitergehen.
Im schönsten norwegischen Wintersturmwetter kämpften wir uns dann nur durch ein paar Staus unterbrochen bis nach Oslo zurück. Da war es wohl von Vorteil, dass das Rennen an diesem Tag aufgrund von -26°C ausgefallen war.
3) Und ich zitterte um meine 15kg-Gepäckgrenze bei RyanAir. Denn ich hatte ja einen Flug nach Berlin und zurück ergattert, der mich nur umgerechnet 12€ kostete, drauf kamen aber noch rund 50€ für's Gepäck à 15kg. Meine Freundin Bianca hatte mich schon mental darauf vorbereitet, dass sie zumindest am Flughafen Rygge-Moss bei Oslo sehr sehr sehr genau sind mit Übergepäck. So konnte ich in der Nacht vor meinem Nachhauseflug kaum ein Auge zu tun, andererseits habe ich tausendmal besser geschlafen als im Klimaanlagenrumorzimmer des Sporthotels...
Bus geschafft, gut in Rygge angekommen - und siehe da: Es waren nicht einmal annähernd 15kg, sondern nur schlappe 14,1kg. Mir fiel trotzdem ein Stein vom Herzen, was ich vor der Schalterbeamtin durch lautes Aufatmen auch nicht verbergen konnte.
Schön war auch noch, dass ich in der Wartehalle Stephan aus Steinkjer traf, den ich vom Ankunftsseminar in Selbu kannte und den es nun auch in der Weihnachtszeit ins heimische Eichsfeld zog. So war ich wenigstens nicht allein, um für den planmäßigen Flug zu beten - im Vorfeld hatte ich ja schon Blut und Wasser geschwitzt und jeden Tag die Flugannulierungsliste durchgearbeitet, aber in Rygge war so wenig Schnee, da wären sie sogar in Frankfurt am Main damit zurecht gekommen. Berlin-Schönefeld war auch nicht im vollständigen Chaos, das betraf größtenteils die Inlandsflüge. Auf den deutschen Autobahnen herrschte trotzdem ein so großes Chaos, dass mein Papa mich nicht abholen konnte, aber mein tapferer Um-viele-Ecken-Onkel Matthias kämpfte sich ganze drei Stunden durch den Berliner Chaosverkehr zum Flughafen durch und wir gelangten nach weiteren zwei Stunden dann in Glienicke bei seiner Frau Waltraud an, wo ich nächtigen durfte. Am nächsten Tag ging mein Zug nach Dresden ohne Probleme, holte die anfängliche Verspätung sogar noch auf, sodass mein Muttchen zu spät am Bahnsteigwar. Zum Glück hatte ich mir das Zugticket nicht am Schalter holen wollen, sondern gleich im Internet gekauft, in Berlin war am Schalter die Hölle los!
Nun, das alles war nebensächlich, als ich endlich zu Hause war. Und es tat SO gut, das kann ich euch versichern! Nachdem ich doch in meinem Osloer Heim ziemlich unglücklich war, tat es sehr gut, sich einfach fallen zu lassen. Ich wusste mir auch meine Freiräume zu schaffen und nicht jeden Tag zwischen Verwandten und Freunden hin und her zu pendeln.
4) Aber alles hat auch ein Ende, zumindest ein vorläufiges. Erst mal sollte es ja wieder zurück nach Oslo gehen, damit meine Eltern mich auch dort besuchen konnten. Trotz Schneesturms in Rygge kam mein Flugzeug überpünktlich und Per musste seinen PC gleich wieder zuklappen - er wollte ja die Wartezeit ganz schlau ausnutzen und arbeiten... :) Aber es war sehr schön, dass er mich abgeholt hat, so konnte ich noch ein bisschen auspacken und mich für das nächste Skirennen in Aal vorbereiten. Übrigens scheint man in Berlin bei RyanAir nicht alles auf die (Gold)Waage zu legen, mein Gepäck hatte durch die zahlreichen Süßigkeiten ein stattliches Gewicht von 15,1kg!
Aal verlief dann relativ ruhig. Wir wohnten in einer schönen, frisch restaurierten Hütte im Wald und ich war schwer beschäftigt mit dem Aufstellen der Punktelisten für dieses erste Junioren Norges Cup Rennen, denn dort galten nicht wie bei den Senioren nur die Kategorien Senior und U23, sondern 19/20 Jahre, 18 und 17, je Männer und Frauen.
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Auch behinderte Athleten waren am Start |
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Unsere Waldhütte |
5)Die Aufregung hatte mir etwas auf den Magen geschlagen, aber ich konnte meine Ellis am Montag glücklich am Hauptbahnhof in die Arme schließen. Ein kleiner Koffer war nur mit sächsischen Köstlichkeiten gefüllt, die dann unters (Ski)Volk verteilt werden sollten.
MONTAG - Ankunft, Papa schläft sich von der Nachtschicht ein wenig aus, Mama und ich schauen uns die
Begehung der Eternal Flame am Nameless-Tower in Pakistan durch die Huberbrüder an. Abends Restaurantbesuch im "Albertine" auf der Aker Brygge, wo Mama ihren Freund André traf, oder zumindest sein norwegisches Pendant, welches bezeichnenderweise Henrik hieß...
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Mama und Fast-André Henrik |
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Die Ra II |
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Die Kon Tiki |
DIENSTAG - Vormittags kam Familie Anders nur schwerlich aus den Federn, nach dem Spätstück ging es zur Besichtigung von Hennis Arbeitsplatz im Ullevaal Stadion, wo man Per, John Olav und ein paar andere begrüßte. Warten auf Staale, der versprochen hatte, sich brav zu benehmen. Er steckte im Stau, aber zum Schluss konnte er Mama und Papa noch die Hand schütteln, bevor wir uns ins Kon-Tiki-Museum aufmachten. Dort standen noch die Original"schiffe" von Thor Heyerdahl, Ra II und die Kon Tiki. Nur Ra I war beim ersten Versuch kaputt gegangen und ein anderes Schiff wurde aus Protest im persischen Golf verbrannt. Nach dem Museumsbesuch schlitterten wir noch ein bisschen an der Nase (nes) von Bugdöy, Bygdöynes, herum und dann bummelten wir ein bisschen durch die Stadt. Gegessen wurde in einer Einkaufspassage an der Karl Johan.
MITTWOCH - Der Tag, der meinen Kollegen vom Alpin Recht geben sollte, dass man auf Zahnstochern nicht Ski fahren kann.
Vormittags schlitterte Familie Anders auf und vom Operndach herunter, um sich dann für eine Skitour mit Per klar zu machen. Vor der Skitour bekam Per noch einen Stollen mit passendem Likör geschenkt. Dann ging's hoch zum Frogneseteren in der Nähe des Holmenkollens. Die Ski benötigten mehrmals noch eine Portion Festwachs, denn es waren um die 0°C, eine sehr schwierige Wachssituation. Mama stiefelte schon vorneweg im "fiskebein"-Schritt, ich hinterher. Dann drehte Mama um, um sich noch Wachs auf die Skier geben zu lassen, denn sie hatte anfangs keins benötigt. Ich ging also bis hoch und wartete an der Kreuzung. Plötzlich klingelte das Telefon in meinem Trinkgürtel (Weihnachtsgeschenk von Per) und Per sagte mir: "Dein Vater ist gerade dabei, sich die Beine zu brechen." Und auch wenn es ein Klischee ist, es gibt tatsächlich dieses Gefühl, welches einem schon vorher sagt, dass etwas passiert sein muss. Per meinte später, ich sei noch nie so schnell einen Berg herunter gefahren.
Um es im Rückblick mal kurz zusammenzufassen:
Das Schlimmste: zu sehen, wie Papa höllische Schmerzen hat
Im Eifer des Gefechts: Vertausch von Pers Skiern und einer nicht beteiligten Person
Es kam doch ein Krankenwagen und wir mussten Papa nicht selber fahren
Die Sanitäter waren allesamt sehr nett und ich habe geheult wie ein Schlosshund. Zitat Mama: "Wie das Leid von Mütterchen Russland persönlich" Zitat Per: "Blitzeis am Frogneseteren durch massenhaft aufgetretene Tränenflüssigkeit"
Ich mit im Krankenwagen, um zu dolmetschen
Ziel war dann das sogenannte Ahus, Kurzwort für das Akershus universitetssykhus (sykehus = das mittelalterliche Siechenhaus???), welches nicht mehr in der Oslo Kommune, sondern in der Akershus Kommune liegt und seit seiner umfassenden Renovierung und Erweiterung das modernste Krankenhaus Norwegens, wenn nicht sogar Skandinaviens darstellt. Dorthin kommen alle Deutschen, die in Oslo oder Akershus ins Krankenhaus müssen. Unser Glück, fand ich. Denn auch wenn es ein Stück außerhalb war, bis auf die Rezeptionisten machten wir die Bekanntschaft vieler netter Menschen. Viel Personal, nettes Personal, ein Arzt, der sich nicht mit Dr. Sowieso vorstellte, sondern schlicht und einfach sagte, er heiße Frode. Englisch wurde gesprochen, teilweise deutsch. Papa wurde geröntgt und es stellte sich heraus, dass sowohl das Schien- als auch das Wadenbein gebrochen waren, was laut Arzt Frode mit physikalischen Kräften ganz einfach geschieht, weil die Membran zwischen den beiden Knochen wie ein Kabel die Wucht weitergeleitet hat. Operation noch am selben Abend. Papa bekam nach der OP auch gleich ein Nachtmahl.
Abends fand aber auch das geplante Abendessen im "D/S Louise" auf der Aker Brygge statt, mit Mama, Per, seiner Frau, Kristine und mir.
DONNERSTAG - Vormittags ab ins Ahus, dort konnte Papa sich inzwischen klar an den Unfallhergang erinnern: Linker Ski schräg im Fischbeinschritt, rechter in der Spur, der rechte rutschte Weg unter den linken, Papa fiel nach hinten um, der rechte Ski war wie festgetackert und dann folgte der Bruch.
Nachmittags die Papa-Memoriam-Skitour, also die am Mittwoch geplante, mit Per vom Frogneseteren zum nahe des Quartiers gelegenen Sognsvann.
Abends bin ich zur Vorstandssitzung der Klettegruppe gefahren, um meine Pflichten als Vorstrandsmitglied wahrzunehmen, hoho! Dort bekam mein lieber Freund Kjell von mir nachträglich zu Weihnachten einen Sächsische Schweiz Kletterkalender geschenkt, damit er auch nicht vergisst, mich mal zu besuchen. Vielleicht wird die Klettertour ins Sächsische ja auch Wirklichkeit, mal schauen.
FREITAG - wieder Ahus, dann wollten Mama und ich eigentlich ins Munchmuseum, welches aber bis zum 20. Januar wegen Ausstellungsumbauarbeiten noch geschlossen war, wir haben uns dann stattdessen die Gewächshäuser des botanischen Gartens zu Gemüte geführt.
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links in blau Kjell, ich beim Wiedersehensgespräch mit meinem Trainer der ersten Stunde: Rune |
Abends war Boulderversammlung im Centrum Athletica auf der Akersgata, wobei ich mich nur an kleine Boulder heranwagte und nicht wie die üblichen Verrückten an der überhängenden Wand. Danach gingen wir alle ins Studentenlokal "Waldemar's" essen - echt studentisch, man muss sein Gegenüber also anschreien, um sich zu verstehen.
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Der "Bacchus"-Burger |
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Mama und ihr Klippfisk |
SAMSTAG - Ahus, wie üblich, dann eine Stadtrundfahrt mit Bus, U-Bahn und Straßenbahn. Gegessen wurde in den Domarkaden im Café "Bacchus". Danach wollten wir erkunden, ob man vom Frogneseteren noch einen schönen Ausblick auf die Stadt erhaschen kann, aber da hätten wir schon auf die Holmenkollenschanze gemusst, um über den dichten Wald hinweg zu sehen.
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Nationaltheatret |
SONNTAG - Zusammenpacken, noch mal ein Versuch am Frogneseteren, angesichts des Nebels war die Aussicht aber eher spärlich, ins Ahus, von wo Mama und Papa dank der ADAC+ Versicherung mit dem Taxi abgeholt wurden und mit allem drum und dran gut nach Hause kamen.
Jedoch nicht, ohne etwas zu vergessen, wie die Mama eben einige Papiere bei mir vergaß, die ich nur durch Zufall diese Woche entdeckte.
Wie ich hörte, wollte der Herr A. sich dann nicht hinlegen im Auto, prompt folgt die Entzündung, vielleicht war es da ganz passend, dass er im Freitaler Krankenhaus auf der Kinderstation lag. Und er wird sich sicher nach dem guten Ahus-Essen gesehnt haben, ich weiß ja aus eigener Erfahrung, dass dies in Freital nicht unbedingt das Schmackhafteste ist.
Für mich hieß es dann, sich wieder in den Alltag einzufügen, im Büro wieder in den Trott zu kommen und eventuelle Heimwehanflüge mit ganz viel Arbeit zu bekämpfen, was mir durch eine ellenlange Transponderliste und eine Namensunterschiedsliste auch gelang. Diese letzte Liste ist so zu erklären, als dass wir in Aal am letzten Renntag noch stundenlang bei den Zeitnehmern saßen, weil die Namen von sage und schreibe 218 Athleten in der FIS und emit (norwegische Zeitnehmerfirma) Datenbank nicht übereinstimmten. Ich durfte diese Namen also alle ver- und wieder angleichen. Dabei ist mir dann wieder einmal aufgefallen, dass die Norweger mit ihren Mutters- und Vatersnahmen selbst nicht zurecht kommen. Ich würde da ja auch Henrike Hebenstreit Anders heißen. In der Datenbank müsste dann stehen: Anders, Henrike Hebenstreit und eben nicht Hebenstreit Anders, Henrike.
Russisch Brot und Kokos Russisch Brot verschwand im Büro innerhalb von zwei Tagen und Staale bekam ein paar edle Tropfen in Schokolade geschenkt. Später versuchte ich ihn dann sporadisch mit ein paar Toffifees zu besänftigen, als er sich über sein neues Telefon ärgerte.
Im Büro wird jetzt alles für die Nationalen Meisterschaften oder Norwegischen Meisterschaften (NM) in Steinkjer bei Trondheim vorbereitet. Ich fliege bereits etwas eher, um Stefan und seine Mitbewohnerin Maritxu aus Frankreich zu besuchen.
Am Mittwoch passierte dann auch noch etwas sehr Schönes: Per, seine Frau Kjersti und ich fuhren zu einer Familie, in die ich bereits am Sonntag umziehen werde! Wir haben uns gleich sehr gut verstanden. Mehr dazu werde ich später erzählen. Es wird sicher sehr spannend, aber auch für die Eingewöhnung müssen wir uns wieder Zeit geben. Ich bin jedenfalls sehr froh darüber und freue mich sehr. Meine neue Adresse wird dann per Mail zugestellt. Wer sie dennoch nicht kriegt, kann mich ja z.B. über meine Eltern kontaktieren.
Bis bald dann,
eure Henni